Die Grundsteuer ist verfassungswidrig – wie geht es jetzt weiter?

Wie erwartet hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Regelungen des Bewertungsgesetzes zur Einheitsbewertung von Grundvermögen jedenfalls seit dem Beginn des Jahres 2002 als mit dem allgemeinen Gleichheitssatz unvereinbar erklärt.

Einheitswertermittlung

Das aktuelle System zur Berechnung der Grundsteuer basiert auf der Ermittlung eines sogenannten Einheitswerts. Diese knüpfen bis heute auf die Feststellungswerte des Jahres 1964 bzw. in den „neuen“ Bundesländern sogar an das Jahr 1935 an. Dieses führt nach der Überzeugung des Gerichts zu gravierenden und umfassenden Ungleichbehandlungen bei der Bewertung von Grundvermögen, für die es keine ausreichende Rechtfertigung gibt.

Das Problem sah das BVerfG jedoch nicht in dem Auseinanderfallen zwischen den aktuellen Grundstücksverkehrswerten und den historischen Einheitswerten. Vielmehr seien die mittlerweile eingetretenen Wertverzerrungen der Einheitswerte in Relation zu den Verkehrswerten der Grundstücke der Grund der Verfassungswidrigkeit. Denn die unterschiedlichen Entwicklungen der Grundstückswerte, z.B. in Ballungszentren gegenüber ländlichen Gebieten, werden durch das System der Einheitsbewertung ausgeblendet und führen daher zu nicht mehr realitätsnahen Bewertungsgrundlagen. Hierin sah das BVerfG eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung, welche zu einem verfassungswidrigen Zustand führe.

Zweistufiger Umsetzungsplan

Das BVerfG hat nun dem Gesetzgeber einen zweistufigen Umsetzungsplan vorgegeben:

  • Zum einen gelten sie für die in der Vergangenheit festgestellten Einheitswerte und die darauf beruhende Erhebung von Grundsteuer und darüber hinaus in der Zukunft zunächst bis zum 31. Dezember 2019. Bis zu diesem Zeitpunkt hat der Gesetzgeber eine Neuregelung zu treffen.
  • Sobald der Gesetzgeber eine Neuregelung getroffen hat, gelten die beanstandeten Bewertungsregeln noch für weitere fünf Jahre fort, aber nicht länger als bis zum
    Dezember 2024.

Diese ungewöhnliche Anordnung der Fortgeltung nach der Verkündung der Neuregelung ist nach Auffassung des Gerichts durch die besonderen Sachgesetzlichkeiten der Grundsteuer geboten und von daher ausnahmsweise gerechtfertigt. Hintergrund ist, dass es zur bundesweiten Neubewertung aller Grundstücke eines außergewöhnlichen Umsetzungsaufwandes im Hinblick auf Zeit und Personal bedarf.

Hierbei beachtet das BVerfG die Einwände der Länder und Finanzverwaltungen, dass diese eine Neubewertung von 35 Millionen Grundstücke vornehmen müssten und dafür natürlich Zeit bräuchten. Dem trägt das BVerfG nun durch seine „Auflage“ Rechnung.

Folgen für Grundstückseigentümer und Mieter

Für Grundstückseigentümer (aber auch Mieter) heißt dies nun, dass sich zunächst einmal nichts ändern wird. Der Gesetzgeber muss zunächst bis Ende nächsten Jahres das Bewertungssystem der Grundsteuer reformieren – die Umsetzung muss dann aber erst zum Jahr 2025 erfolgen.

Eine – eigentlich vom Kläger begehrte – Abschaffung der Grundsteuer sah das BVerfG jedoch nicht als notwendig an. Die Gemeinden nehmen jährlich rund 14 Milliarden Euro mit der Grundsteuer ein, ein Fortfall dieser Einnahmen hätte diese vor massive finanzielle Probleme gestellt.

Zukünftiges Bewertungssystem

Wie nun künftig die Bewertung für Zwecke der Grundsteuer erfolgt, ist derzeit noch völlig offen. Unter den Bundesländern konkurrieren einer Übersicht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin zufolge im Wesentlichen zwei Modelle, die das bisherige Grundsteuerkonzept ersetzen könnten:

Das „Kostenwert-Modell“, für das sich die weitaus größte Mehrheit der Länder ausspricht und das „Äquivalenz-Modell“, welches von Bayern und Hamburg favorisiert wird.

Beim Kostenwert-Modell soll bei allen Objekten der Bodenwert mit dem Bodenrichtwert angesetzt werden. Bei bebauten Grundstücken wird zusätzlich der Gebäudewert mit typisierten Baukosten ermittelt.

Bayern und Hamburg dagegen sprechen sich für eine Methode aus, bei der die Grundsteuer ausschließlich flächenbezogen erhoben würde. Diese entspricht dem Grunde dem vom Deutschen Mieterbund geforderten Modell einer „Bodensteuer“. Der Mieterbund argumentiert, dass dies den Wohnungsbau besonders in Städten fördern könnte und Spekulation verhindern würde. Mieter von Wohnungen würden hierdurch entlastet und Besitzer von Einzelhäusern oder unbebauten Grundstücken belastet.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz hat bereits verkündet, dass dieser die vom BVerfG geforderte Reform der Grundsteuer ohne Steuererhöhungen umsetzen will. Der SPD-Politiker kündigte am Dienstag am Rande der Kabinettsklausur im Schloss Meseberg rasche Gespräche von Bund, Ländern und Kommunen an. Das Reformkonzept werde sicherstellen, „…dass es nicht zu Steuererhöhungen für die Grundeigentümer, für die Mieter komme, aber auch, dass die Kommunen ihre Aufgaben gut wahrnehmen könnten.“

Fazit

Fakt ist, dass das derzeitige System auf der Basis der Einheitswerte ein Auslaufmodell ist. Änderungen in der Bemessungsgrundlage werden zwangsweise zu Änderungen in der Belastung mit Grundsteuer führen. Auch wenn man diese so austarieren würde, dass das Gesamtaufkommen der Grundsteuer gleich bliebe, so wird es im Einzelfall zu Wertänderungen gegenüber dem jetzigen System führen. Wer jedoch am Ende des Tages als Gewinner und wer als Verlierer dieser Reform dastehen wird, ist völlig ungewiss. Gewiss ist nur, dass die Politik sich hier relativ schnell auf ein System einigen muss.

Vertreter der Bundesregierung erklärten in einer Pressemitteilung des Finanzausschusses bereits, dass zwar an einer Neuregelung der Grundsteuer innerhalb der vom Bundesverfassungsgericht gesetzten Frist „mit Hochdruck“ gearbeitet werde, es jedoch bisher noch keine Festlegung auf ein bestimmtes Modell gebe. Bei der Neuregelung sei wichtig, dass sie administrierbar sei. Andernfalls drohe eine „grundsteuerfreie Zeit“. Die Bundesregierung erwartet jedoch, dass die Grundeigentümer im Zusammenhang mit der Neuregelung eine Steuererklärung werden abgeben müssen.